Zuletzt geändert am 17. Januar 2022 von Christina Brandstätter
Inhaltsverzeichnis
Verklebt, Verfilzt, Verhärtet – Entstehung, Ursache & Schmerztherapie
Wie kann es sein, dass uns ein Gewebelappen so plagt? Faszienschmerz wird hauptsächlich durch Be- und Überlastung ausgelöst. Auch Stress kann zu Faszienschmerz führen.
Wenn du jetzt eine überwiegend sitzende Tätigkeit hast und in deiner Freizeit auch noch gerne Couch-Potato spielst, hast du gute Chancen, dass dein Fasziengewebe verfilzt, verklebt oder verhärtet. Dies kann nicht nur (Muskel)Schmerzen zur Folge haben, sondern auch eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit (weil: tut ja weh) mit sich bringen. Statt der normalen rautenförmigen Anordnung sehen die Fasern jetzt wie ein verknotetes Wollknäuel aus. Bewegungsmöglichkeiten der Muskeln werden dadurch zunehmend eingeschränkt, das Beugen und Strecken der Gelenke immer schmerzhafter und nicht selten führt das zur berühmten „Schonhaltung“. Diese wiederum verbessert das Ganze nicht, sondern verschlimmert es nur noch. Schonhaltungen führen zu Überbelastungen anderer Körperstellen. Klar, der Körper versucht ja, die eingeschränkte Bewegungsfreiheit auszugleichen. Bis der Ausgleich selbst nicht mehr funktioniert und der Körper wieder den Ausgleich für den Ausgleich suchen muss. Du merkst sicher, worauf das hinausläuft?
Zusammengefasst gesagt: oft kann so eine Verkettung eine umfangreiche Veränderung der Körperhaltung und Motorik nach sich ziehen und sehr komplexe Schmerzmuster entstehen lassen, welche schwerwiegende Funktionsausfälle hervorrufen können (Muskel-Faszien-Syndrom, Triggerpunkte).
Robert Schleip und Werner Klingler haben einen spannenden und äußerst aufschlussreichen Versuch gestartet: Sie haben untersucht, wie sich das Faszien-Gewebe in einem Arm verändert, der nach einer Verletzung eingegipst wurde. Nach nur drei Wochen Gips konnten die Forscher zeigen, dass das Gewebe verfilzt, die Struktur verdickt und chaotisch ist. Mit diesem unkontrolliertem wuchern kommt es zu einem eindeutigen Funktionsverlust. Ihre Studie belegt, wie wichtig Bewegung für unsere Faszien sind. Bewegung ist zwingend notwendig, um unsere Faszien überhaupt aufrecht zu erhalten.
Durch mangelnde Bewegung und Fehlhaltungen können Faszien derart verkleben und im schlimmsten Fall sogar versteifen, dass sie Nerven und Muskeln einquetschen. Auf einem Röntgenbild leider nicht festzustellen.
Fascia Thoracolumbalis – Die große Rückenfaszie
Die Fascia Thoracolumbalis ist die bedeutsamste tiefe Faszie in unserem Körper.
Sie ist von Schmerzrezeptoren nur so übersät. Hier liegt die Vermutung nahe, dass viele Schmerzen nicht wie ursprünglich angenommen von den Wirbeln oder den Bandscheiben herrühren, sondern ihren Ursprung in dieser Lumbalfaszie haben. Ob verklebt, verdickt oder verhärtet – dadurch sendet die Lumbalfaszie (falsche) Signale an die Muskeln.
Helene Langevin, ursprünglich klinische Medizinerin, ist eine Faszien-Wissenschaftlerin der ersten Stunde. Weil sie Patienten mit chronischen Rückenschmerzen oft genug einfach nur nachhause schicken musste, fing sie an, sich näher mit der Lenden-Faszie zu beschäftigen. Die Lenden-Faszie ist eine riesige Faszie im Rücken, die die Schultern mit der Hüfte verbindet. Um der Ursache der unspezifischen, chronischen Rückenschmerzen auf die Spur zu kommen verglich Helen Langevin das Gewebe der Patienten mit Rückenschmerz und ohne Rückenschmerzen. Sie stellt einen Unterschied der Gleitfähigkeit fest. Es wurden weitere Tests gemacht, das Ergebnis: Patienten, die sich regelmäßig bewegten (regelmäßiges, gezieltes, sanftes Stretching), heilten schneller und waren schneller schmerzfrei. Ihre Erkenntnis: Durch Bewegung und Dehnung heilen Wunden / Verletzungen schneller.
Die Forschung konnte noch nicht alle Rätsel um diese Faszie lösen, über ihre Wichtigkeit und Bedeutsamkeit jedoch sind sich alle einig: sie scheint der Ursprung vieler Rückenprobleme zu sein.
Stress als Schmerzauslöser?
Die Spannung der Faszien wird vom autonomen / vegetativen (unbewussten) Nervensystem beeinflusst. D.h. du kannst Informationen, die über die Nervenstruktur vermittelt werden, nicht bewusst steuern. Freude, Angst, Wut, Trauer, Wohlbefinden, Stress, emotionaler Schmerz…bewirken Veränderungen des vegetativen Nervensystems.
Bei Stress wird der Schmerz nicht über die Nervenbahnen hoch ins Gehirn geleitet, sondern der Weg könnte umgekehrt sein. Stress aktiviert den Sympathikus. Der fährt über die Schmerzautobahn im Rücken nach unten in die Nerven der Faszie à Hallo Rückenschmerz!
Eine positive Emotion sorgt für eine entspannte Körpersituation, deine Faszien haben eine optimale Spannung, dir geht’s gut (meistens, wenn man sich freut, oder?).
Und jetzt rate mal, was eine negative Emotion auslöst? Richtig, genau das Gegenteil. Eine angespannte Körpersituation, welche wiederum zu einer erhöhten Spannung deiner Faszien führt. Wird das jetzt zum Dauerzustand, läuft dein Körper Gefahr, durch permanent erhöhten Tonus (Spannung) unbeweglich, schmerzempfindlich und verletzlich zu werden. Faszien sind sehr sensibel und reagieren schnell auf negative Einflüsse wie Stress. Aber auch auf zu wenig oder falsche Bewegung. Die gute Nachricht: Faszien sind ein hochregeneratives Gewebe. Nach Korrektur der negativen Einflüsse oder Bewegungsmangel erholen sie sich recht schnell.
Weitere Versuche Robert Schleips haben hervorgebracht, dass Faszien auch völlig unabhängig von muskulären oder nervlichen Reizen reagieren. Weiters konnte er feststellen, dass Faszien auf Botenstoffe reagieren, die mit emotionalem Stress zusammenhängen – damit ist der wissenschaftliche Beweis erbracht, dass emotionaler Stress Verspannungen und Schmerzen auslösen kann.
Faszien als Schmerzmelder
Faszien sind stark innerviert. Sie verfügen sogar über mehr Sensoren und Nervenendigungen als Muskeln. Die Mehrzahl dieser Rezeptoren sind Schmerzmelder. Daraus konnten Wissenschaftler schließen, dass die oft wahrgenommenen Muskelschmerzen tatsächlich vor allem in den Faszien entstehen. Dies betrifft vor allem den Muskelkater. D.h. es sind trainingsbedingte Verletzungen und/oder Veränderungen in den Faszien, nicht im Muskel selbst, die für Schmerzen sorgen. Das belegt bereits ein Test aus dem Jahre 2009 von dem dänischen Schmerzforscher Thomas Graven-Nielsen. Unklar allerdings ist, ob der Schmerz von Rissen, Entzündungen oder Ödemen im Bindegewebe hervorgerufen wird oder ob die erhöhte (Trainings)Belastung zu verstärkten Reizsignalen führt, welche die Sensoren der Faszien weiterleiten. Klar ist jedoch, dass sich das Bindegewebe meist nach wenigen Tagen (ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich) wieder erholt. Zusammengefasst lässt sich hier sagen: gut funktionierende, fitte Faszien stecken höhere Belastungen besser weg und sind weniger anfällig für Muskelkater. Aber das dürfte jetzt keine neue Erkenntnis sein – bisher dachte man eben, es wären die Muskeln selbst. Gleiches Spiel, andere Struktur.
Faszien & Lymphe
Auch Lymphgefäße führen durch das Fasziengewebe. Das Lymphsystem versorgt die Zellen mit lebensnotwendigen Nährstoffen und sorgt gleichzeitig für den Abtransport sämtlicher Stoffwechselabfallprodukte, also den Müll. Der Lymphfluss wird ausschließlich durch Muskelbewegung in Gang gehalten. Soweit so klar.
Hast du jetzt eine länger anhaltende Verspannung – ooohhh, das kennen wir alle, der Nacken lässt grüßen – ist diese „Autobahn“ verstopft und Lymphe können ihrer Arbeit nicht nachkommen. Jetzt wird es spannend. Lymphe transportieren u.a. auch den Blutgerinnungsfaktor Fibrinogen. Normalerweise ist das keine große Sache. Beim Lymphstau hingegen setzt sich das Fibrinogen einfach im Gewebe ab und wird dort unter Einwirkung anderer Substanzen zu Fibrin abgebaut. Fibrinogen wird somit zum körpereigenen Klebstoff Fibrin. Was grundsätzlich nichts Schlechtes ist. Fibrin hilft uns beim Verschließen von Wunden. Doch da nun keine Wunden vorhanden sind und das Fibrin tun möchte, wozu es geschaffen ist – zum Verschließen, zum Verkleben – verklebt es nun einfach unsere Faszien. Es tut also, was es soll (wir können uns deshalb nicht mal beschweren), nur an der falschen Stelle.
Faszien & Übersäuerung
Ein Säureüberschuss schadet dem gesamten Organismus. Aufgrund des besonders hohen Wasseranteils der Faszien, sind Faszien hier besonders anfällig. Bei Übersäurerung verliert das Fasziengewebe an Flexibilität, es verhärtet und beeinträchtigt dadurch den Blut- und Lymphfluss sowie die Muskelaktivität im Gesamten. Die Säure kann das Fasziengewebe derart reizen, dass sogar Entzündungen in allen Körperbereichen entstehen können. Und auch die im Fasziengewebe enthaltenen Nerven werden von der Säure gereizt, was sich wiederum in undefinierbaren Schmerzen äußern kann.
Ich bin Personal Fitness Trainerin, Groupfitnessinstructor, Skilehrerin, Bloggerin und liebe es, bewegt durchs Leben zu gehen. Ich bin neugierig, lerne gerne dazu und gebe mein Wissen und meine Erfahrung gerne weiter – genau das war auch der Startschuss für meinen Fitness Food & Lifestyle Blog. Schau dich hier ruhig in Ruhe um, berichte mir von deinen Erfahrungen, weis mich auf Fehlerteufel hin oder hinterlass mir gerne einen Kommentar.