Zuletzt geändert am 3. Dezember 2020 von Christina Brandstätter
Jedes mal, wenn ich diese Worte „Beckenboden aktivieren“ in meinen Kursen sage, ist die Verwunderung groß. Ich kann förmlich in den Augen meiner Teilnehmer lesen „Jaaaa….und, wie mach ich das bitte?“ Und die Männer fragen sich heimlich still und leise, ob sie so etwas überhaupt besitzen.
Mittlerweile wissen meine eingefleischten Teilnehmer, wie das funktioniert. Wie es funktionieren sollte. In groben Zügen. Denn für Details ist 1. keine Zeit und 2. nicht der Raum dafür. An dieser Stelle wären ein entsprechender Kurs, Fachliteratur oder Workshops ratsam.
Um den Beckenboden gezielt ansteuern zu können, muss man überhaupt mal wissen, wo dieser sich befindet. Das ist Schritt 1. Schritt 2 ist die Warnehmung und Aktivierung.
Inhaltsverzeichnis
Aktivierung – Von unten (kaudal) nach oben (kranial)
Die äußere Schicht – Die Acht
Die äußere Schicht aktivierst du, indem du – und bei diesem Satz sehen mich immer alle zuerst komisch an – sämtliche Körperöffnungen unterhalb des Bauchnabels schließt und nach oben ziehst.
Wahrnehmungsübungen
Solltest du damit nichts anfangen können, versuch‘s damit (Wahrnehmung):
- #1: Du sitzt gerade am stillen Örtchen (Männer haben es da leichter, die können sich an jeden beliebigen Baum stellen) und musst – aus welchem Grund auch immer – den „Urin anhalten“ – das aktiviert den vorderen Teil.
- #2: Pupsen in der Öffentlichkeit? Geht gar nicht! Weil es nach wie vor ein Tabu-Thema ist. Doch genau das machen wir täglich. Jeder von uns. Im Schnitt 20x. Perfekt fürs Beckenboden-Training. Denn genau dieses „Oh Gott, jetzt bloß keinen fahren lassen“ und die Anstrengung, die wir unternehmen, damit genau das nicht passiert, aktiviert den hinteren Teil der Acht. Im Notfall einfach mit angewiderten Gesicht zum Nachbarn sehen und sowas wie „Boah, muss das jetzt sein?“ sagen – kleiner Scherz am Rande.
Mit der Acht aktivierst du die Schließmuskeln der Harnröhre und des Afters.
Beachte! Das Anhalten des Urinstrahls und das Zurückhalten eins Pups dient nicht als Übung! Nur zur Wahrnehmung und zur allgemeinen Vorstellung deines Beckenbodens.
Alle Körperöffnungen schließen
Die mittlere Schicht – Das Dreieck
Die mittlere Schicht aktivierst du, indem du deine Sitzbeinhöcker zusammenziehst. Die Sitzbeinhöcker kannst du recht gut ertasten, wenn du dich aufrecht auf deine Hände setzt und dich mal rechts / links / vor / rück bewegst. Oder anders gesagt: Das sind die Knochen, die du nach den ersten, längeren Radtouren tagelang danach noch spürst.
Stell dir vor, um deine Sitzbeinhöcker ist ein Gummiband gelegt. Dieses Gummiband ziehst du gedanklich mit so einem Drehknopf-Verschluss-System (keine Ahnung wie diese Dinger tatsächlich heißen? Findet man häufig bei Skihelmen oder Snowboard-Boots) immer enger und enger.
Sitzbeinhöcker zueinander ziehen
Die innere – Der Fächer
Die innere Schicht aktivierst du, indem du dein Steißbein (Ende der Wirbelsäule) lang und dann zum Schambein (Richtung Bauchnabel) ziehst und alles zusammen wie einen Lift nach innen oben (Richtung Brust) ziehst. Auch hier kann das Gummiband wieder helfen.
Steißbein Richtung Schambein ziehen & Lift fahren
Der Hauptakteur: Musculus levator ani
Hauptakteur ist eindeutig der Levator ani (innere Schicht). Die mittlere und die äußere Schicht sind am Damm mit der innersten, flächenmäßig größten und wichtigsten Schicht, dem Levator ani, verbunden.
Das ist genau jener Muskel, der – wenn er fit und trainiert ist – die Organe trägt, für den inneren Druckausgleich (Husten, Niesen,…) sorgt und dich bei jedem Schritt und Tritt unterstützt und schützt. Diesen Muskel haben wir alle. Doch bei vielen ist dieser leider sehr vernachlässigt. Warum das so ist?
Aus den Augen, aus dem Sinn!
Was wir nicht sehen, ist auch nicht da. Denkste! Jeder einzelne von uns hat seine ganz persönlichen Muster, eigene Bewegungsgewohnheiten. Und je nach dem, wie diese aussehen, beanspruchen wir Muskeln und den Levator ani unterschiedlich…mal mehr, mal weniger, mal gar nicht. Wie stehst du, wie gehst du, wie sitzt du? Ist dein Becken nach vorne / nach hinten gekippt? Sind deine Beine nach außen / innen rotiert? Machst du große oder kleine Schritte? All das und noch viel mehr hat Einfluss darauf, ob und wie dein Beckenboden zum Einsatz kommt.
Der Levator ani besitzt – zum Glück / zum Leidwesen – weniger Nerven. Zum Glück, weil das Gebären sonst unerträglich wäre (der kleine Wurm muss da schließlich durch) und zum Leidwesen, weil er dadurch Befehle nur schwer bis gar nicht entgegennimmt. Als Vergleich: Arme und Beine zucken schon allein beim Gedanken an „Abmarsch“.
Wahrnehmen, Aktivieren, Trainieren
Um deinen Beckenboden – und den Levator ani im Speziellen – wahrzunehmen, zu aktivieren, zu trainieren kann ich dir folgende Übungen empfehlen:
Ausgangsstellung:
Setzt dich aufrecht auf einen Stuhl, ganz an die Kante. Gerade Wirbelsäule, neutrale Beckenposition, Beine hüftbreit. Knie bilden einen 90° Grad Winkel (Fersen unter Knie), Zehenspitzen zeigen leicht nach außen. Versuch, deine Sitzbeinhöher wahrzunehmen. Das machst du, indem du dein Becken hin, her, vor, rück bewegst und schließlich auf den Knochen sitzen bleibst. Schieb dein Brustbein nach vorne oben und ein unsichtbarer Faden zieht dich am Scheitel nach oben in die Länge (wie ein Puppenspieler seine Marionette), Kinn ganz leicht Richtung Brustbein ziehen, damit das Krönchen ordentlich am Kopf sitzt. Handrücken liegen locken auf den Oberschenkeln.
Bewegungsausführung:
Spannung aufbauen UND Spannung wieder Lösen. Ganz WICHTIG: Oberschenkel und Gesäß bleiben immer so entspannt wie möglich!
- Beine (Großzehengrundgelenk und Mitte Ferse) ganz leicht in den Boden drücken. Bei dem Impuls (in den Boden drücken) reagieren die Sitzbeinhöcker.
- 10x gleichzeitig
- 20x rechts / links im Wechsel
- Mehr Beweglichkeit – Länge gewinnen
- Linke Kniekehle nach vorne und linken Sitzbeinhöcker nach hinten ziehen
- 10x / Seite
- Sitzbeinhöcker zueinander ziehen
- Für eine bessere Wahrnehmen, jeweils einen Finger unter den rechten und linken Sitzbeinhöcker legen und erspüren, wie sich dich Knochen zueinander bewegen. Sollte es nicht klappen, kannst du vorerst vorsichtig versuchen, die beiden Knochen leicht mit deinen Fingern zueinander drücken, damit sie den Bewegungsablauf „lernen“
Tipp: Du kannst mit deinen Händen „kontrollieren“, ob du dein Gesäß oder deine Oberschenkel anspannst – hingreifen und fühlen.
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Ich bin Personal Fitness Trainerin, Groupfitnessinstructor, Skilehrerin, Bloggerin und liebe es, bewegt durchs Leben zu gehen. Ich bin neugierig, lerne gerne dazu und gebe mein Wissen und meine Erfahrung gerne weiter – genau das war auch der Startschuss für meinen Fitness Food & Lifestyle Blog. Schau dich hier ruhig in Ruhe um, berichte mir von deinen Erfahrungen, weis mich auf Fehlerteufel hin oder hinterlass mir gerne einen Kommentar.