Zuletzt geändert am 12. Juni 2021 von Christina Brandstätter
Der Ruf eilt uns Skilehrern voraus. Damals wie heute: braungebrannt, strahlend blauer Himmel, Sonnenschein, Pulverschnee, Après-Ski, immer gut gelaunt und zu jeder Schandtat bereit?
Den ganzen Tag Skifahren, das Leben genießen, sich die frische Bergluft um die Nase wehen lassen und dafür auch noch bezahlt bekommen? Klingt echt traumhaft.
Was gerne vergessen wird: Völlig egal, welches Wetter – ob traumhafte Pistenverhältnisse, fluffigster Pulverschnee, eiskalter Wind, Regen, starker Schneefall oder wolkenloser Sonnenschein und Kaiserwetter – die Kurse finden statt und dein Privatvergnügen muss warten. Selbst wenn Lifte streiken, du einen schlechten Tag hast, es dir nicht gut geht, dir kalt ist, du keine Pause hast / hattest…
The show must go on!
Inhaltsverzeichnis
Mythen, die sich hartnäckig halten
Skilehrer ist „kein wirklicher Beruf“
Nein? Es stimmt schon, 4 Stunden / Tag arbeiten hört sich erst mal total chillig an. Daraus können aber schnell mehr werden und das schon mal 7 Tage die Woche. Du hast permanent die Verantwortung für deine großen und vor allem für deine kleinen Gäste, sorgst für ihre Sicherheit und achtest darauf sie zu fordern, aber nicht zu überfordern. Und Spass soll das Ganze dann auch noch machen.
Wir sind Dienstleister, schenken unseren Gästen unsere volle Aufmerksamkeit, vermitteln Wissen (sonst würdet ihr uns nicht brauchen), sorgen für eure Sicherheit, erklären, handeln, fiebern mit euch mit. Um sich Skilehrer nennen zu dürfen, bedarfs einer speziellen Ausbildung. Am Ende jedes Lehrgangs (es gibt verschiedene Ausbildungsstufen) musst du dein Wissen bei Prüfungen unter Beweis stellen. Sowohl theoretisch als auch praktisch inkl. Lehrauftritt.
Das bisschen Skifahren
4-7 Stunden täglich Skifahren? Kein Problem für dich? Echt? Kleinen Kids bis schweren Erwachsenen ständig aus den unmöglichsten Positionen wieder aufhelfen, verlorene Ski ausbuddeln & anschnallen, gefühlte 1000x am Tag im Kindergelände mit angeschnallten Skiern hoch rennen, um mit den Kids in „Umkehrhaltung“ runter zu düsen, …
Und selbst das bisschen Skifahren will gelernt sein. Als Skilehrer solltest du zumindest besser die Pisten runter cruisen als deine Gäste. Alles andere wäre peinlich.
Vom Berg in die Bar ins Bett
Der Ruf vom Alpen-Macho ist längst Schnee von gestern. Doch der Ruf kommt bestimmt nicht von ungefähr. Lange Zeit war der Beruf des Skilehrers eine Männerdomäne mit Playboy-Image und die Lieblingsdisziplin sicher der Einkehrschwung. Heutzutage sieht die Realität etwas anders aus: „Kinderland“ (Schwerstarbeit & Knochenjob!!!), Bino-Bär (zumindest bei uns auf der Gerlitzen), Pizza (Schneepflug) & Pommes (Parallel). Immer mehr Frauen arbeiten als Skilehrerinnen, weil sich das Publikum stark verändert hat und die Hauptzielgruppe Skizwerge sind. Denn Erwachsene können ja bereits alles und beim Skifahren gibt’s so etwas wie Regeln schließlich nicht (Anm. der Redaktion: Autor verdreht gerade die Augen). Und aus irgendeinem mir völlig unerklärlichen Grund wird diese Art von Arbeit lieber Frauen aufs Aug gedrückt. (Anm. der Redaktion: Augenverdrehen die 2).
Skilehrer sind „Halbgötter in Rot“
Hm, nun ja…ich würde das gerne bestätigen. Aber auch wir Skilehrer sind nur ganz normale Menschen. Je nach Ausbildungsstand kommen einige ganz passabel die Pisten runter, einige brauchen noch etwas Übung. Luft nach oben gibt’s immer. Auch ein Gärtner hat vermutlich nicht immer eine eigene Gärtnerei zuhause oder einen top gepflegten Garten?
Von Après-Ski und Partylöwen
Feiern gehört dazu. In manchen Skigebieten mehr, in manchen weniger. Gerade junge Skilehrer / Studenten leben und lieben diesen Lifestyle. Aber nicht, weil sie Skilehrer sind, sondern weil das in jüngeren Jahren einfach dazugehört. Eines sollte man aber immer bedenken: Egal wie lustig es war, egal wann du nachhause gekommen bist, egal ob du nachhause gekommen bist, egal wie die Nacht war: am nächsten Morgen geht’s wieder ab auf die Piste! Ohne Gnade, ohne Ausreden.
Gute Bezahlung & bombastisches Trinkgeld
Ist definitiv Mangelware (zumindest bei uns). Unser serviceorientierter Beruf – ihr seid im Urlaub und wir versuchen alles, um euch euren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen – wird entweder als selbstverständlich wahrgenommen oder es wird einfach nicht daran gedacht, einem Skilehrer Trinkgeld zu geben. Warum auch? Wir bringen euch schließlich nur etwas bei. Und kümmern uns in den meisten Fällen halbtags 6 Tage die Woche um eure größten Schätze.
Ein Kellner serviert euch das essen und sorgt für euer leibliches Wohl und bekommt in 98% der Fälle Trinkgeld. In italienischen Restaurants wird fürs Gedeck & das zur Vorspeise gereichte Brot „Coperto“ erhoben. Auf vielen Kreuzfahrtschiffen ist das Trinkgeld bzw. Serviceentgelt (schließlich wollen Dienstleistungen wie Kabinen reinigen, Speisen zubereiten, Handtücher waschen, für Unterhaltung sorgen,… bezahlt und honoriert werden, oder???) bereits im Reisepreis inkludiert. Denkt mal drüber nach.
Wenn’s ums liebe Geld und den Lohn / Gehalt geht, müssten wir alle mehr bekommen, denn wir verdienen alle immer mehr – oder etwa nicht? Grundsätzlich ist der Job nicht übermäßig gut bezahlt, aber wer möchte, kann dies ändern. „Jede“ Privatstunde (zumindest bei uns) wird extra bezahlt (wie genau das System funktioniert, spar ich mir hier), also ist es durchaus möglich gut zu verdienen. Das liegt bei jedem einzelnen selbst.
Skilehrer arbeiten nur im Winter
Klar. 4-6 Monate Arbeit im Jahr reichen doch!
Schnee gibts nur im Winter. Zum Skifahren braucht man Schnee. Soweit, so klar. Doch das eine schließt das andere nicht aus. Auch im Sommer könnte man, wenn man wollte, als Skilehrer arbeiten. Es gibt auch Sommer-Skigebiete wie z.B. Zermatt, Val d’Isère (Espace Killy), Neuseeland, Australien,…die Möglichkeiten sind vielfältig. Skilehrer sind vielseitig. Aber nicht alle Skilehrer-Kollegen haben Lust darauf. Wie bei fast allen Saisonjobs haben viele ein-, zwei- oder mehrere Standbeine. Im Winter Skilehrer, im Sommer Sportlehrer (Surfen, Tennis, Kajak, Canyoning & Rafting, Volleyball,…). Sind Leidenschaft & Liebe zu den Bergen so groß, dass sie nicht ohne Berge können, arbeiten manche von uns im Sommer als Kletter-, Wander- oder Bergführer. Studenten, die nur zur Hauptsaison aushelfen, widmen sich wieder ihrem Studium. Einige haben auch eine eigene Landwirtschaft. Wiederum andere nutzen den Sommer und Reisen, sehen sich die Welt an. Ich z.B. habe noch meinen „normalen“ Vollzeit-Job, Skilehrern ist für mich nur eine angenehme, geliebte Abwechslung.
Wie’s bei uns (Skischule Gerlitzen / Feuerberg) läuft
Bevor es ab auf die Piste und zu unserem Einsatzgebiet geht, ziehen wir uns erst mal im Skistall um und holen unser Arbeitsmaterial. Das ist eine große und angenehme Erleichterung, unser ganzes Skizeugs nicht jedes Mal mitschleppen zu müssen. Je nach Wetterbedingungen, Beendigung des Vortags und/oder Saisontief bleibts entweder beim „(Guten) Morgen“ oder der Tag startet schon im Skistall lustig. Ab und an sieht man auch mal „neue“ Gesichter, die gar nicht so neu sind, denn bei (in der Hauptsaison) bis zu 120 Kollegen lernst du immer wieder neue Leute kennen.
Unsere Tage (ich spreche hier im Namen von meinen Kollegen – hallo liebe Kollegen, ich hoffe, das ist in eurem Sinne) beginnen damit, dass wir morgens erst mal checken, ob wir „Skitaxi“ spielen dürfen.
Ski waxln ist bei unserer Station (ja, davon gibt es auf der Gerlitzen mehrere) kein Problem, aber für einen großen Service müssen Ski und Board einmal über den Berg und zurück– genau wie wir Feuerberg-Mitarbeiter. Deshalb bietet es sich an, dass wir für unsere Gäste den Transport übernehmen und sie so, 1 Tag später, wieder frisch reparierte und tiptop hergerichtete Ski haben. Alles für den Gast!
Nach dem die Ski am anderen Bergende heil abgegeben wurden, bereiten wir alles für den Tag vor – Kinderland aufbauen (Teppiche, Hütchen, …), Liftanlagen checken, Zauberteppich (= Förderband im Kinderland) ausschaufeln & Zäune aufstellen (sollte dies nötig sein), bei Neuschnee Brettln und Piste präparieren, falls es der Pistenbully nicht geschafft hat usw. Im täglichen Meeting wird dann noch kurz besprochen, wer was macht, welche Kinder die Gruppe wechseln, wann wer (wo) Pause macht (bei vielen Gruppen muss das abgesprochen werden zwecks Platzmangels), wer nachmittags welche Privatstunden hat usw. Unser Team funktioniert zum Glück reibungslos. Abschluss eines jeden Kinderskikurses ist der Bino-Tanz. Was für die großen Kids nervig und peinlich ist, ist für die Kleinen das Highlight des Tages.
Bino Tanz & Siegerehrung
Quelle: youtube
Anmerkung: dieses Video ist schon gefühlte 100 Jahre alt, aber so ca könnt ihr euch das vorstellen
Nach dem Unterricht muss natürlich alles wieder weggeräumt und saubergemacht werden. Das erledigen die, die keine Privatstunden mehr haben. Abwaschen, Staubsaugen, Kinderland aufräumen (Hütchen, Teppiche, …) oder schon mal auch im Büro / Skiverleih aushelfen (was auch durchaus schon vorm Skiunterricht der Fall sein kann). Ist alles erledigt, dürfen wir uns auf den Rückweg machen – wenn wir Glück haben nur mit 1 paar Ski und zwar unter unseren Füßen. Grundsätzlich ist es kein Problem mit „Ski am Buckl“ zu fahren – es ist nur nervig. Und wenn du dann auch noch nachmittags in den Genuss der „Riesenbuckl“ und Gatsch & Matsch auf deinem Heimweg kommst…jaaa…ein echter Spass.
Zum Glück verstehen wir uns alle sehr gut untereinander, wir wissen alle, was wann wo zu tun ist und helfen einander → best Team ever! Das ist einer der Gründe (zumindest bei mir), warum ich diesen Job so liebe. Und nur so am Rande: auch unsere Chefs (jaja, klingt nach einschleimen, ist es aber nicht – Reibungspunkte inklusive!) sind echt prima! Wie es in anderen Skischulen läuft, weiß ich nicht.
Frag das Ganze Land – jeden Samstag auf Ö3
Wie passend, dass gerade, als ich an diesem Artikel saß, dieses Thema im Ö3-Dilemma auftauchte. Ich habe bei Ö3 angefragt, ob ich die Audio-Aufnahme hier auf meinem Blog wiedergeben darf – das war leider nicht möglich. Dennoch möchte ich euch Tonis Dilemma nicht vorenthalten, denn auch das gehört zu unserem Skilehreralltag.
Vorstellung vs. Realität
Als Skilehrer bist du
- Animateur
- Organisationstalent
- Psychologe
- Witzbold
- Kellner
- Seelentröster
- (Pausen)Clown
- Bauingenieur
- „Pistenraupe“
- Entertainer
- Moderator
- Übersetzer und Sprachtalent (Zeichensprache beherrscht du perfekt)
- Wetterquaxi
- Liftwart
- Winterdienstmitarbeiter & Schneeräumungskommando
- Renn-Jury & Schiedsrichter
- Security
- Beratungsfachmann
- Erste-Hilfe-Anlaufstelle
- Streitschlichter
- Pädagoge
- Motivator
- Geschichtenerzähler
- Zauberer
- Tänzer
- Showmaster
- Informationszentrum
- Reinigungskraft
- Skitaxi / Lieferservice
- WC-Beauftragter
- Pokerface
Kurz gesagt: Multitalent & Mädchen für Alles
Fazit
Der Traumjob Skilehrer ist nicht zu unterschätzen und verlangt einiges ab. Das großartige an dem Job ist, dass du ständig an der frischen Luft (bei Wind und Wetter) bist und dich bewegst. Die Berge und der Winter haben eine faszinierende, mystische Anziehungskraft und vermitteln ein kleines Stück Freiheit. Da sich die Leute, mit denen wir arbeiten, gerade im Urlaub befinden, sind sie meistens entspannt und gut gelaunt. Wenn du eine Woche Kinder Anfänger ausgefasst hast, ist deine Woche definitiv weniger entspannt, dennoch…frische Luft, Bewegung,…viel Bewegung…
Ich bin Personal Fitness Trainerin, Groupfitnessinstructor, Skilehrerin, Bloggerin und liebe es, bewegt durchs Leben zu gehen. Ich bin neugierig, lerne gerne dazu und gebe mein Wissen und meine Erfahrung gerne weiter – genau das war auch der Startschuss für meinen Fitness Food & Lifestyle Blog. Schau dich hier ruhig in Ruhe um, berichte mir von deinen Erfahrungen, weis mich auf Fehlerteufel hin oder hinterlass mir gerne einen Kommentar.