Zuletzt geändert am 3. Oktober 2024 von Christina Brandstätter
Ständig strahlt uns aus Zeitungen, TV und den sozialen Medien irgendwo ein perfektes Lächeln entgegen. Schön weiß, kerzengerade und makellos. Kein Wunder also, dass wir das Bedürfnis nach perfekten Zähnen haben. Aber ist das wirklich notwendig?
Inhaltsverzeichnis
Sei vorsichtig mit deinen Wünschen, sie könnten in Erfüllung gehen
Damals, als ich noch ein Teenager war – ich dachte nie, dass ich diesen Satz wirklich mal sagen würde – wollte ich unbedingt eine Zahnspange. Ich hasste meine Zähne. Nach einigen Beratungsgesprächen stand fest: zu teuer. Damals konnte ich das nicht verstehen und war sauer auf meine Mum (jaaaa, ich weiß, dass man Mum mit „o“ schreibt). Heute weiß ich, dass meine Mum alles in ihrer Macht Stehende getan hat (und noch immer tut, danke Mum) und keine böse Absicht dahintersteckte.
Die Wurzel allen Übels
Ich kann mich zwar nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern, doch eines hat sich tief in mein Gedächtnis gebrannt: Ich, keine 4 Jahre alt, auf einem OP-Tisch, rundherum viel zu viele Menschen in einem hässlichen Grün und mit Mundschutz. Ich sollte betäubt und für eine Zahn-OP vorbereitet werden. Offenbar hatte ich was dagegen und wehrte mich mit all meinen Kräften. Danach weiß ich nur noch, dass ich, zuhause angekommen, so gut wie nicht sprechen sollte, weil mir ungefähr sämtliche Zähne (mehr als 7) entfernt werden mussten, sofort aufs Rad gesprungen und davon geradelt bin. Das alles hatte ich lt. meiner Mum meinem geliebten Berner Sennenhund „Berry“ zu verdanken. Beim Spielen hat mich Berry wohl – garantiert nicht mit böser Absicht – mehrmals umgeschmissen und irgendwann habe ich den Asphalt geküsst. Die Folge waren zahlreiche Zahnfisteln. Keine schöne Sache. Trotz der richtigen Entscheidung meiner Mum – mir sämtliche Zähne entfernen zu lassen – blieb mir ein Trauma offenbar nicht erspart. Mir schauderts heute noch vor Ärzten und Krankenhäusern. Aber wer mag die schon? Dennoch sollten wir froh sein, in Notfällen und bei Bedarf darauf zurückgreifen zu können.
Das Ende vom Lied: die zweiten Zähne ließen ewig auf sich warten (nach dem Trauma wundert mich das nicht, da würde ich auch nicht rauskommen wollen) und ich gewöhnte mich daran. Danach gabs – bis auf einen Zwischenfall – keine Probleme mehr mit den Beißerchen. Jahre später war ich wieder mal bei einem Zahnarzt-Kontrolltermin. Grundsätzlich nehme ich Kontrolltermine meistens nach Bedarf wahr, ich höre auf meinen Körper. Klingt komisch, funktioniert aber für mich bis jetzt einwandfrei. Als meine Zahnärztin mir dann erklärte, dass meine Zähne, wenn ich nichts unternehme, irgendwann ausfallen würden, stand mein Entschluss in Millisekunden fest: ja, wo soll ich unterschreiben?
Ich habe, trotz der Tatsache, dass alle 4 Weisheitszähne durchgebrochen sind, zu viel Platz in meinem Kiefer, so dass meine Zähne ganz ungeniert und nach Herzenslust wandern, sich drehen und verbiegen können. Welch Freude! Wenn ich mich recht erinnere war das im Sommer 2016. Mit Überweisung, Beratung, Abdrücken, Bilder, …usw. dauerte es bis November. Im November 2016 war es soweit. Hallo Brackets!
Das Leben mit einer festsitzenden Zahnspange (Brackets)
Das Anbringen ist weder schmerzhaft noch sonst der Rede wert. Ca. 1 Stunde dauert die ganze Prozedur. Um mir die Brackets nicht selbst abzubeißen – ich habe verdammt kleine Zähne, dafür jede Menge Platz im Kiefer – wurde mir hinten oben (am Mahlzahn) jeweils rechts und links so ein kleines blaues Kunststoffkügelchen verpasst. Die dienten als so Art Beißsperre. Total nervig und wenig hilfreich beim Essen. Mit der Zeit war ich aber froh darüber – jeder unbeabsichtigte Kontakt tat nämlich weh. Ich bekam noch allgemeine Hinweise und Ratschläge und das wars dann. Der erste Tag war, hmmm…gewöhnungsbedürftig. Ich glaube so oder so ähnlich muss sich eine Lippenvergrößerung anfühlen. Mein Mund fühlte sich viel zu klein an, als dass er dieses Ding, dass ich voraussichtlich 3 lange Jahre lang tragen durfte, dauerhaft beherbergen konnte. Unvorstellbar, dass ich mich daran gewöhnen würde. Tat ich auch nie. Am selben Tag hatte ich – ganz bewusst – noch einen Termin bei meiner Osteopathin. Das war Gold wert!
Die nächsten Tage und Wochen waren grausam. Vor allem die ersten 5 Tage. Ich weiß nicht, ob es am Alter lag oder ich einfach nur so empfindlich bin? Ich hatte Schmerzen…puuhhhh…jenseits von Gut und Böse. Ich sprach die ersten 3 Tage nur das nötigste. Die Schmerzen wurden irgendwann erträglich. Meine Sportkurse und Trainings waren eine Herausforderung. Vor allem Bücken, Aufstehen, schnelle, ruckartige Bewegungen rächten sich blitzartig mit pochenden, ziehenden Schmerzen im gesamten Kiefer.
Zahnspangen-Alltag
Es entwickelte sich so eine Art Kreislauf: die ersten Tage nach dem Nachstellen (ca. alle 3-4 Wochen wird der Draht ausgetauscht oder der Gummi gewechselt oder sonst irgendwelche Gemeinheiten, es soll ja
schließlich auch was weitergehen) waren immer recht schmerzhaft, Flüssignahrung und eher weiche Kost, dann wurde es langsam besser, irgendwo Abbeißen war unmöglich (das ist es aktuell noch!, August 2019) – nur aufschneiden und hinten vorsichtig kauen und keine abfärbenden Lebensmittel (Tomaten, Curry, Kurkuma, Kaffee, Kräutertee – welchen ich liebe, usw) weil der Gummi sich recht schnell verfärbt und es dann so aussieht, also ob du gelbe Zähne hättest. Und immer gerade als es so halbwegs ok war, wieder ab zum KFO und nachziehen…alles auf Anfang! Im Verlauf der ersten Monate kam auch noch das „Draht ersticht Wange / Zahnfleisch“ hinzu. Da deine Zähne mit der Regulierung ja wandern und sich verschieben, verschiebt sich auch der Draht. Kommen deine Zähne näher zueinander, steht der Draht am Ende über. Dentalwachs hilft, ist aber nur eine kurzfristige Lösung. Also schon wieder – zusätzlich zu den 1.000 anderen Kontrollterminen – ab zum KFO und abschneiden lassen. Das hörte zum Glück nach einigen Monaten auf.
Dann noch – zusätzlich zu den Schmerzen und diesem schrecklichen Gefühl – dein Umfeld, dem diese, für dich äußert gravierende, Veränderung natürlich nicht entgeht, die hohen Kosten und die, in diesem Moment, schier endlos erscheinende Zeit lassen dich ernsthaft daran zweifeln, ob du das wirklich noch 3 ganze Jahre lang durchhalten wirst. Und warum zum Teufel du das getan hast. Ok, das Warum war immer gleich beantwortet. Ich will meine Zähne behalten. Unbedingt. Aber 3 Jahre? Echt jetzt? Wo ist Harry Potter mit seinem Zauberstab, wenn man ihn mal wirklich braucht?
Wenn es nicht medizinisch notwendig gewesen wäre, hätte ich dieses Stahlding in meinem Mund wahrscheinlich nach kürzester Zeit wieder abmontieren lassen. Und eine weitere Hoffnung, an die ich mich klammerte – und die erfüllt wurde – war meine Migräne loszuwerden. Dass die Zähne erheblichen Einfluss auf die Gesundheit haben, ist auch von der Zahnmedizin inzwischen anerkannt und wissenschaftlich belegt. Ich litt seit frühester Kindheit (ob das nicht damals mit dem ganzen Zahndilemma angefangen hat!?) immer wieder an heftigsten Kopfschmerzen bzw. Migräne-Attacken. Nebenbei erwähnt: Offenbar war ich als Kind unglaubwürdig, denn ernstgenommen wurde ich diesbezüglich selten bis nie. Denn Kopfschmerzen hat doch jeder mal. Kopfschmerzen werden gerne als „billige Ausrede“ für alles Mögliche verwendet. Migräne ist ein ganz anderes Level. Nur Betroffene selbst können da mitreden.
Zusammenfassend lässt sich folgendes sagen
- Deine Zahnspange interessiert niemanden
Deine Familie und deine Freunde lieben dich auch mit diesen schmerzbringenden, in deiner Sprache einschränkenden (lispeln) Eisen. Das macht sich gerade anfangs durch liebevolle Hänseleien und gemeine, für andere witzige, Kommentare bemerkbar. Sie lieben dich trotzdem. Und für alle anderen ist es normal. - Schmerzen sind dein ständiger Begleiter
Hier trifft der Spruch „Wer schön sein will, muss leiden“ zu 100% zu. Egal ob beim Essen, Lächeln, Zähneputzen oder nach dem monatlichen Zahnarztbesuch. Gewöhn dich daran. Deine Zähne hatten bis jetzt alle Freiheiten, jetzt sollen sie gewaltsam in eine von dir gewünschte Position gebracht werden. Wie würdest du dich fühlen, wenn ständig jemand oder irgendwas an dir zieht, drückt, schiebt und rumhantiert? Auch Lippen, Wangen und Zunge können etwas irritiert sein und Probleme machen. Bei mir z.B. waren es die Wangen – der Draht & die Brackets haben sich da regelrecht hineingefressen (auch nicht lustig). - Essen macht keinen Spass mehr
Schnelle Snacks zwischendurch adè! Für mich als absolut verfressenes Wesen war das die Hölle. Nachdenken, wann ich was und wo essen kann – eine sehr effektive Foltermethode. Für die du auch noch enorm viel zahlst. Eigentlich Irrsinn. Aber ein gutes Training für deine Zunge. Nach jedem Essen (auch jetzt noch, ohne dieses Monster, bis ich draufkomme, dass ich es los bin) war ich sofort dabei, die Essensreste zwischen Draht und Zähnen hinauszumanövrieren. - Zahnbürste, Dentalwachs, Interdentalbürsten sind deine neuen besten Freunde
„Nach dem Essen Zähneputzen nicht vergessen!“ Na, wer kennts noch? Hier gehst du freiwillig. Zwischen Draht & Zähnen sammelt sich allerhand an. Das ist nicht nur unangenehm, sondern sieht auch noch scheiße aus. Außerdem solltest du penibel genau darauf achten, das Zahnfleisch, was ohnehin durch Draht & Gummi permanent gereizt wird, zu pflegen, damit keine Entzündungen entstehen. Und selbst wenn du gut darauf achtest, lässt es sich gelegentlich nicht vermeiden.
- Angstbewältigung? Zahnarztphobie?
Tja, die wirst du mit Sicherheit bald verlieren. Schließlich hast du regelmäßige Kieferorthopädische-Kontrolltermine im Abstand von 3-6 Wochen. Dennoch – und das wird dir auch nicht gesagt – solltest du gesonderte „normale Kontrolltermine“ für deine Beißerchen ausmachen. Auf mein Nachfragen hin wurde mir nämlich erklärt, dass bei den Kieferorthopädischen-Kontrollterminen nicht wirklich darauf geachtet wird, ob Karies und Co grüßen lassen. - Deine Geduld wird auf die Probe gestellt
In den ersten Monaten geht alles recht fix. Ich schwöre, ich habe echt jeden Tag neue Veränderungen entdeckt. Dennoch vergeht die Zeit von einem Zahnarzt-Termin zum nächsten schleppend. Kein anderer außer dir hat dieses Ding permanent im Mund. Tage, an denen es besonders schmerzt (oh ja, von denen gibt es einige), vergehen gefühlt nie.
- Du erhältst Mitgefühl von Leidensgenossen, Freunde und Familie sind genervt
Über nichts lässt sich so gut und so ausführlich jammern. Und geteiltes Leid ist bekanntlich halbes Leid. Außerdem kannst du dir Tipps und Tricks von „Überlebenden“ holen. Freunde und Familie sind manchmal genervt, wenn du schon wieder sowas sagst „Essen? Puh, eher blöd….heute nicht, meine Zähne tun weh…“ Aber auch das geht vorbei. - Normalität? Jein
Speziell deine Ess- und Zahnputzgewohnheiten werden sich verändern. Je besser du auf die Mundhygiene während deiner ganz persönlichen Folter achtest, desto unkomplizierter wird’s dann danach. Ich habe Geschichten gehört und gelesen, da rollt’s dir die Zehennägel auf. Karies, Löcher, Zahnfleischtransplantationen, Kieferprobleme (die vorher nicht vorhanden waren), usw. Und auch dein Liebesleben wird sich vermutlich ändern. Küssen war bei mir z.B. gar nicht. Mein Partner war / ist zum Glück sehr verständnisvoll. Auch Berührungen im Gesicht oder das allseits beliebte „Küsschen links, Küsschen rechts“ – keine Chance.
Meine Tipps
- Elektrische Zahnbürste* benützen
- Das extrem umständliche Rumfummeln mit Zahnseide – selbst mit spezieller Zahnseide* extra für Zahnspangen – hat mich zur Weißglut gebracht, ich habe mir deshalb dieses tolle Gerät zur Reinigung der Zahnzwischenräume* gekauft
- 2x jährlich eine professionelle Zahnreinigung / Mundhygiene beim Zahnarzt
- Mach deine Zahnspangen-Grundausstattung zum ständigen Begleiter
Das Leben danach…
Mittlerweile bin ich das Ding los und es fühlte sich großartig an. Schmerzen? Oh ja! Normalerweise werden die Zähnchen nach der Entfernung der Brackets mit einem so genannten Retainer fixiert. Ich tanz da wieder mal aus der Reihe, da ich noch auf unbestimmte Zeit Schienen tragen muss. Dieser Übergang ist normal fließend. Auch das ging bei mir nicht, da sich zuerst die Zahnfleischentzündung (vor Brackets & Co hatte ich noch nie Probleme damit) beruhigen muss. In dieser „Wartezeit“ haben meine Zähne Wandertag und nützen das ungeniert aus. Sie wandern sofort –ich kann dabei zusehen – wieder in ihre ursprüngliche Position. Aber mein KFO konnte mich beruhigen, das sei völlig normal und wir bekommen das wieder in den Griff. Naja, wehe wenn nicht. 2 Jahren Schmerzen und Entbehrungen sollten nicht umsonst sein.
Das Gute daran: kein Draht mehr, der sich nachts in die Wange drückt. Kein permanenter Druck mehr. Kein Gummi, der zieht, reibt oder reißt und sich in die Wange bohrt (man glaubt es kaum, aber ein Gummi kann ganz schön hart und schmerzhaft sein). Keine scharfkantigen Brackets, die reiben und stören. Kein Rumgefummel mehr, um Essensreste loszuwerden. Das ist schon eine enorme Erleichterung. Meine Zähne wirken im Vergleich riesig (in Wirklichkeit sind sie extrem klein und zart), hell und schön gerade. Und irgendwann kommt der Tag X, an dem alles passt. Ich freue mich schon auf diesen Tag.
Was hilft?
- Eis! Viiiieeeel Eis! Und kalte Getränke. Kalt war das neue Warm (ich bin sonst recht erfroren)
- Dentalwachs
- Salbeitee zum Spülen – hilft bei Zahnfleischentzündung
- Nelken- und/oder Teebaumöl (desinfizierend & entzündungshemmend)
Im Grunde kannst du nicht viel tun, außer durchhalten.
Fazit
Ich bereue es nicht, bin aber froh, dass es „vorbei“ ist. Zum Glück sagt dir niemand im Vorfeld, was das wirklich für dich bedeutet. Sonst würden sich das einige sicher noch mal ernsthaft überlegen. Es gab Tage, da hätte ich mir die Zahnspange am liebsten an Ort und Stelle abmontiert. Es gab aber auch Tage, da war es fast normal. Unterm Strich bist du eine Menge Geld los, hast Schmerzen ohne Ende (bei Kindern mag das vielleicht anders sein, ich weiß es nicht), bist in vielen Dingen eingeschränkt, hast neue beste Freunde (Zahnbürste & Co), verbringst viel, viel, wirklich sehr viel Zeit mit Zähneputzen und machst das ganze vermutlich freiwillig und im Besitz deiner geistigen Kräfte. Also halte durch. Das Ergebnis ist es wert! Ein kleiner „Vorteil“: Deine Hemmschwelle in Punkto „Peinlichkeit“ wird herabgesetzt (ich hab mir nach nach dem Essen die Zähne – egal wo und wann – geputzt und kontrolliert).
Zum Schluss noch ein Vergleich. Ein „Vorher-Foto“ zu finden, war echt nicht leicht (selbst da sieht man es nicht gut, aber immerhin). Da gibts nämlich nicht viele, wo ich „Zähne zeige“. Warum? Könnt ihr euch sicher denken! Habt ihre Erfahrungen mit Zahnspangen & Co? Oder vielleicht noch Tipps? Ich bin gespannt!
Update 16.04.2019
Am 23. November 2018 war es dann soweit – der große, lang herbeigesehnte Tag X. Die Brackets wurden entfernt und ich strahlte die nächsten Tage bis über beide Ohren – das war kaum auszuhalten. Doch die Freude währte nicht lange. Der Deal war: Brackets raus, Schienen rein. Damit konnte ich gut leben, denn die Schienen sollten nur noch zum Feinschliff und zur Stabilisierung dienen. Diese Stabilisierungs-Phase, die sogenannte Retention oder Rückfallneigung, kann durchschnittlich 12 bis 24 Monate, aber auch lebenslang, dauern. Jetzt konnte es nur noch besser werden. Die Brackets waren schwuppdiwupp draußen. Das Ergebnis war Bombe!
Ich sags euch…dieses Gefühl…mit der Zunge nach 2 Jahren wieder über Zahnaußenfläche zu fahren, die Berührung Lippen & Zähne, der Platz, den dieser Fremdkörper 2 Jahre lang eingenommen hat wieder „für sich zu haben“ – unbezahlbar. Mastercard ist nichts dagegen. Hihihi…
Wer hätte es geahnt: Mit Abnahme der Zahnspange ist die Behandlung nicht beendet!
Damit so eine Schiene angefertigt werden kann, braucht es zunächst einen Abdruck der Beißerchen. Das sollte direkt nach dem abmontieren dieser kleinen Monster passieren. Allerdings hatte mein Zahnfleisch wohl was dagegen, denn erst nach Abnahme der Brackets kam das volle Ausmaß zum Vorschein. Eine ausgewachsene Zahnfleischentzündung (Gingivitis). Die anschließende Mundhygiene war kein Spass, aber notwendig. Gerade bei festsitzenden Zahnspangen besteht erhöhtes Risiko Karies und/oder eine Zahnfleischentzündung zu entwickeln. Deshalb konnte der Abdruck erst 4 Tage später gemacht und die Schienen – natürlich für Ober- und Unterkiefer – hergestellt werden. Weitere 2 Tage später konnte ich meine neuen Folterwerkzeuge abholen. Wobei die Schienen echt harmlos waren. Die obere Schiene sollte ich 24/7 h tragen, die untere nur Nachts. Hui…beide Schienen gleichzeitig war wieder weniger lustig. Gerade Anfangs (auch heute noch) würgts mich immer wieder mal heftigst, wenn ich die untere Schiene einsetze.
Soweit so gut. Das blöde an dem Ganzen war nun: meine Zähne nutzen die insgesamt 6 Tage „frei“ um ganz offensichtlich die Sau rauszulassen und feierten eine Party. Soll heißen: Sie wanderten wieder nach Herzenslust. Dazu gleich mehr.
Beim Reden gabs natürlich wieder mal leichte Schwierigkeiten, aber das kannte ich mittlerweile schon. Meinem Umfeld ist die Schiene an sich selten bis gar nicht aufgefallen, lediglich die Tatsache, dass sich irgendwas verändert hat. Für mich war es der Wahnsinn. Ich gewöhnte mich recht schnell daran. Gerade beim Essen war es eine unheimliche Erleichterung…woher kommt diese „unheimliche Erleichterung“ überhaupt? Weiß das zufällig jemand? Unheimlich…was hat unheimlich mit Erleichterung zu tun? Unheimlich interpretier ich im ersten Moment eher im Sinne von „gruselig, Angst einflößend“
Ich schweife ab. Und auch das Zähneputzen und Sauberhalten war viel einfacher. Schiene raus (welch Wohltat), essen, Zähneputzen, Zwischenräume reinigen (der Mensch ist ein Gewohnheitstier), Schiene rein. Leider ist mir die obere Schiene mehrmals gebrochen. Und auch besagte Zahnlücke ist nach ausschweifenden Partynächten und -tagen – meiner Zähne wohlgemerkt – leider auch nicht kleiner geworden. Deshalb, ganz unverhofft, an einem normalen Kontrolltermin, traf mich die Aussage meiner Kieferorthopädin mit voller Breitseite…im Zeitlupentempo…“Frau Brandstätter, was halten Sie davon wenn wir es noch mal mit Brackets versuchen. Ich biete Ihnen…“ Ab diesem Zeitpunkt hatte ich so ein kleines klatschendes Monchichi in meinem Kopf…
Schlussendlich habe ich zugestimmt. Mit der Bedingung „Ich gebe Ihnen 3 Monate, geht sich das aus?“ Immerhin habe ich jetzt 2,5 Jahre durchgehalten, da werd ich doch auf den letzten Metern nicht aufgeben. Kommt nicht infrage. Meine KFO war total nett und ist mir vollstens entgegengekommen – quasi Zahnspange „freihaus“. Diesmal aber anders. Diesmal wurden die Bracktes an der innenseite befestigt, eine so genannte „Linguale Zahnspange„. Und auch diese nur im Oberkiefer und auch nicht alle Zähne. Erfreut bin ich natürlich nicht, doch was ich jetzt schon sagen kann: diese Version ist viel angenehmer zu tragen, bringt nur halb so viel Aufwand und Ärger mit sich und ist auch noch unsichtbar. Sprachschwierigkeiten sind nach wie vor vorhanden. Das Anbringen und wechseln der Drähte / Gummis ist eine echte Prozedur. Mein Nacken war nach dem Anbringen (wobei sich gleich mal 2 Brackets innerhalb von ca. 24 h verabschiedet haben) total verspannt. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten…oder wie war das? Ich bin echt gespannt, ob wir es in 3 Monaten schaffen – nicht, dass es wirklch eine Rolle spielt, ich komm damit mittlerweile echt gut zurecht, aber irgendwann muss auch mal Schluss sein… Update folgt!
Update 06.08.2019
19.03.2019 plus 3 Monate sollte irgendwas Mitte Juni ergeben. Mein Hintergedanke für den Entfernungs-Termin der Brackets war mein Urlaub. Ich wollte die Dinger vor meiner Fitnessreise loswerden. Der Plan ging nicht auf. Meine Kieferorthopädin hätte mir meinen Wunsch zwar erfüllt, wäre nicht von mir höchstpersönlich der Einwand gekommen, ob es – aufgrund meiner Erfahrung mit Zahnfleischentzündung und gebrochenen Schienen – nicht klüger wäre, das erst nach dem Urlaub zu machen? Gesagt, getan. Und es war gut so.
Im Vergleich zu den außenliegenden Brackets sind die innenliegenden Brackets ein Klacks. Zumindest meiner Meinung nach. Die Schmerzen (die Zähne musst ja wieder zueinander gezogen werden) waren ähnlich, der Erfolg stellte sich sehr bald ein. Gut, das waren ja auch nur mehr die allerletzten Meter. Direkt nach meinem absolut traumhaften Urlaub – du musst das nicht mal lesen, schau dir einfach die Bilder an, dieses Plätzchen ist ein Wahnsinn – am 01.07.2019 hatte ich gleich früh morgens den Termin zum Entfernen der Brackets. Dass man sich so auf einen Zahnarzttermin freuen kann, hätte ich nie für möglich gehalten. Das Entfernen dauerte bei dieser Version ein wenig länger und war schmerzhafter – im Vergleich, aber alles erträglich. Danach die obligatorische Reinigung, kleben eines festen Retainers (Klebereatiner) und Abdrücke für die Schienen. Oben und unten. Juhuuu… Das positive: keine Zahnfleischentzündung in Sicht!
Den festen Retainer habe ich aktuell erst mal nur im Oberkiefer. Unterkiefer folgt. Ein fester Retainer ist ein kleiner, dünner Draht, sieht harmlos aus und wird nach der Entfernung der Brackets auf der Zahninnenseite festgeklebt. Damit deine Zähne auch wirklich bleiben, wo sie sollen (ich war wirklich skeptisch, funktioniert aber bis jetzt prima). Man möchte meinen, dass man den eh kaum bemerkt. Jein. Dadurch, dass ich mich schon an die innenliegenden Brackets gewöhnt habe, ist der Draht echt das kleinste Übel. Klar, du merkst, dass da was ist, was eigentlich nicht hingehört, aber große Einschränkungen, Schmerzen oder sonst was gibt’s nicht. Bei mir zumindest nicht. Der einzige Nachteil: du kommst mit der Zahnseide nicht mehr (ganz) durch. Stichwort: mindestens 2x Professionelle Zahnreinigung im Jahr.
Wie lange noch? Fester Retainer & Schienen
Nach einer kieferorthopädischen Behandlung haben die Zähne den Drang, wieder in ihre alte Position zurück zu wandern – klar, geht bestimmt vielen Mensch / Tieren auch so, wenn sie gewaltsam umgesiedelt werden. Was soll das auch? Dieser Drang nimmt, wenn du Glück hast, mit der Zeit ab, bleibt aber theoretisch ein Leben lang aufrecht. Auf meine Frage, wie lange ich die Schienen denn tragen müsste, bekam ich folgende Antwort: „Als Faustregel gilt, dass die Schienen mindestens so lange getragen werden sollen, wie die aktive kieferorthopädische Behandlung gedauert hat“ Und der Draht? „Auf unbestimmte Zeit„. Da kommt Freude auf.
Kontrolltermine werden nach wie vor alle 4-6 Wochen vereinbart. Geht schnell, unkompliziert und tut auch nicht weh.
Keine Ahung, was das soll…
Womit ich die ganzen – es werden im November 2019 bereits 3 Jahre – 3 Jahre zu kämpfen hatte und aktuell noch habe, waren und sind meine Wangen. Nicht nur, dass sich die Brackets nachts in meine Wangen gebohrt haben (je nach Liegeposition), nein, ich habe mir von Zeit zu Zeit auch richtig fest draufgebissen. Das ist auch heute noch so – auf beiden Wangen hat sich so Art weiße Narbe gebildet, die sich von ganz hinten bis vor zum Mund zieht. Der ein oder andere kennt dieses Gefühl und diesen Schmerz bestimmt…nichtsahnend beim Essen voll auf die Wange beißen. Autsch! Ja, das passiert mir regelmäßig. Durch meine Fehlstellung (Kreuzbiss) hatten meine Kiefer über 30 Jahre lang Zeit, sich damit zu arrangieren. Jetzt, da alles so ist, wie es soll, müssen sie sich vielleicht erst daran gewöhnen. Mal abwarten, wie sich das entwickelt.
Leidensgenossen haben damit offenbar weniger Probleme, dafür andere. Es gibt viel grausameres als Brackets und Gummis – Federn, Haltebögen, notwendige Kieferbrüche, Zähne müssen gezogen werden (Platzschaffung), und diverse andere Apparaturen, die Zielführend sind. Notwendig, aber unschön. Ich hatte also Glück.
Es lohnt sich
Ich kann mich nur noch mal wiederholen: es lohnt sich! Seit der „ersten Entfernung der Brackets“ zeige ich gerne wieder Zähne und fühle mich viel wohler. Meine Zahnhygiene ist noch penibler geworden (diese konnte sich davor schon sehen lassen, doch durch Brackets ändert sich alles – und vermutlich werde ich das auch nicht mehr los). Meine Migräne ist verschwunden (nein, das ist kein Allerheilmittel für Migräne, bei mir hats aber funktioniert). Schon alleine deshalb hat es sich ausgezahlt. Wie lange mich Draht und Schiene schlussendlich begleiten, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich damit gut leben kann.
Ich bin Personal Fitness Trainerin, Groupfitnessinstructor, Skilehrerin, Bloggerin und liebe es, bewegt durchs Leben zu gehen. Ich bin neugierig, lerne gerne dazu und gebe mein Wissen und meine Erfahrung gerne weiter – genau das war auch der Startschuss für meinen Fitness Food & Lifestyle Blog. Schau dich hier ruhig in Ruhe um, berichte mir von deinen Erfahrungen, weis mich auf Fehlerteufel hin oder hinterlass mir gerne einen Kommentar.
Ich bewunder deinen Mut sehr. Meine Zähne sind jetzt nicht extrem Schief aber es hat potential nach Oben. Ich denke schon seid einer weile darüber nach zu einem Kieferorthopäden zu gehen und mir eine Zahnspange verpassen zu lassen. Mir wurde als Kind immer gesagt das meine Weisheitszähne das alles dann perfekt zusammen schieben ABER bis Heute warte ich auf meine Weisheitszähne.
Hallo! Mut? Ein notwendiges Übel – die Alternative wäre echt bitter gewesen. Ich weiß nicht, wie alt du bist, aber so eine festsitzende Zahnspange ist sicher in keinem Alter lustig. Doch es geht vorbei. Lass dich doch einfach mal beraten, vielleicht auch mehrere Meinungen einholen, entscheiden kannst du dann immer noch. Wer weiß, vielleicht ist’s gar kein so großer Aufwand und mit einer Schiene z.B. erledigt? Auf jeden Fall alles Gute dafür 😉